Rückblick

Begeisterung, Bildung, Bücher

Der Online Expertentalk vom 23.02.2021 Begeisterung, Bildung, Bücher – Wie Zukunft gelingt.

Auch 2021 geht die erfolgreiche Talkreihe der IGEPA unter verschiedenen Gesichtspunkten der Frage nach, wie Zukunft gelingen kann. Mit einer Keynote von Zukunftsforscher Matthias Horx wurde die erste Veranstaltung des Jahres eingeläutet; zur illustren Runde des Gastgebers Salzer Papier zählten Karin Schmidt-Friderichs, Thomas Salzer, Christine Knödler, Thomas Nitz sowie Florian Enns.

Es ist ein durchaus optimistisches Bild, das uns Matthias Horx für die Zeit nach Corona aufzeigt: Zwar ist seiner Prognose nach keine Rückkehr zur alten Normalität zu erwarten – was er sogleich mit der Feststellung verknüpfte, dass diese im Grunde gar nicht so normal war –, dennoch bergen die tief einschneidenden Veränderungen durchaus Chancen. »In einer Krise wird das Prinzip von Trend und Gegentrend beschleunigt«, konstatiert er. Und so wird auch in der Medienbranche spürbar werden, dass die fast schon toxische Medialität längst an ihre Grenze stieß – »während die eine Hälfte der Publizisten weiterhin am liebsten Ängste schüren und manipulieren wird, um Clicks zu erhaschen, wird sich die andere Hälfte mehr und mehr ihrer Verantwortung bewusst werden«. Eine weitere Corona-Nebenwirkung sieht Horx in der Wiederentdeckung linearer Kommunikationsformen, wie man am neuen Phänomen »Clubhouse« erkennt. Hier wird wieder miteinander gesprochen und sich zugehört, anstatt anonym wild aufeinander eingedroschen. »Unsere Werte haben sich ganz klar verschoben«, resümiert der Forscher.

»Wir haben unsere Verletzlichkeit erfahren, unsere soziale Bedürftigkeit, die Abhängigkeit zur Natur. Das birgt die Chance, Wertschöpfungsketten neu zu justieren – 2021 wird ein Jahr der Veränderung werden, in dem auch das Lesen als Orientierungshilfe eine klare Bedeutung zukommt.«

Matthias Horx

Wie sehr Corona den Verlagsalltag durcheinanderwirbelte, erzählte im Anschluss Karin Schmidt-Friderichs. Mit Mut und Wut im Bauch plante man zum Trotz neue Veröffentlichungen, schließlich »bräuchten die Menschen gerade in Krisenzeiten etwas zum Festhalten«. Neugier war schon immer der Motor der Verlegerin, um Veränderungen aktiv anzugehen – eine gute Voraussetzung, um auch als Vorsteherin des Börsenvereins, der sich für den Erhalt der Verlags- und Buchhandelsvielfalt einsetzt, wichtige Akzente zu setzen.

»Unser Verlag lebt ja von offenen Türen und losen Strukturen, die Kreativität und Spontanität zulassen. Corona zwang uns, alles neu zu organisieren.«

Karin Schmidt-Friderichs

Die Lesekompetenz des Nachwuchses zu fördern, steht dabei weit oben auf der Agenda – was gleich zum nächsten Gast, Christine Knödler, führte. Die Literaturkritikerin hat sich vor allem der Kinder- und Jugendliteratur verschrieben. Unter anderem stellt sie ihre abwechslungsreichen Podcast-Reihe »Freigeister« vor und macht damit Lust auf Lesen bei Groß und Klein.

»Lesen können und lesen wollen, sind ganz eng miteinander verknüpft und bedingen einander. Dafür ist es wichtig, Kinder- und Jugendbücher aus der Verschenk-Ecke herauszunehmen und literarische Perlen zu entdecken.«

Christine Knödler

Gesprächspartner Thomas Salzer liefert quasi den Rohstoff für gute Literatur: Papierqualitäten aus seinem Haus werden bevorzugt in der Buchproduktion eingesetzt, da sie nicht nur lesefreundlich sind, sondern zudem umweltbewusst produziert werden. Bei Salzer manifestiert sich Nachhaltigkeit beispielsweise auch in langjährigen Mitarbeitern sowie einer langfristigen Planung anstelle schneller Gewinnmaximierung.

»Man sollte sich aber von der Siegelbesessenheit befreien und auf echte Nachhaltigkeit achten. Wer verantwortungsbewusst agiert, muss sich nicht hinter Zertifikaten verstecken«

Thomas Salzer

Wie würde er wohl einem Online-Nerd die Faszination Buch erklären? »Ein Buch ist wie eine Umarmung anstelle einer Telekonferenz«, so Thomas Salzer und hier steuert auch gleich Florian Enns seine Definition bei: »Entschleunigung meets Fantasie«. Bei Rowohlt wurden die Chancen der Krise ebenfalls beim Schopf gepackt, berichtet der Verlagsmanager. Ein neu gegründetes Arbeitsteam beschäftigte sich hierfür explizit mit Änderungen, die zwar durch Corona bedingt, nun aber beibehalten werden. Die eigentliche Aufgabe in der Buchherstellung sieht Enns in der Unterstützung des Lesers: »Die Verpackung, also der Umschlag, sollte nicht im Vordergrund stehen, sondern dabei helfen, sich ganz auf den Inhalt fokussieren zu können«. Wie würde er wohl das Jahr 2020 mit einem Wort beschreiben? »Aufbruch!«.

»Das mobile Arbeiten wird beispielsweise künftig der Präsenz im Verlag gleichgestellt und unseren Mitarbeitern werden nicht nur Weiterbildungen in puncto digitaler Kompetenz nahegebracht, sondern zeitlich auch ermöglicht«

Florian Enns

Mit diesem Fazit kann sich auch last, but not least Thomas Nitz anfreunden, der als Geschäftsführer des Münchner Hugendubels eine »Erlebnisbuchhandlung« führt. »Der Weg dorthin war lang – die Mitarbeiter mussten erst einmal verinnerlichen, dass es okay ist, wenn Kunden in unseren Büchern schmökern und alles anfassen dürfen, um unsere Produkte zu erleben – inzwischen auch bei einem Espresso in unserem Buchhandlungscafé.« Der verantwortungsvollen Rolle als Buchhändler ist sich Thomas Nitz mehr als bewusst.

»Wir können durch Platzierungen im Handel echte Thementrends setzen und damit gesellschaftliche Anstöße geben«

Thomas Nitz

Wunderbar eingefangen wurde dieser vielschichtige Talk erneut in einer Live-Illustration von Antje Dennewitz und mit einem Ausblick auf die nächste Veranstaltung am 21. April zum Thema »Weis(s)e Magie – Material berührt« verabschiedeten sich Sabine Reister und Ricardo Normann von allen Gästen, die durchweg positiv in die Zukunft blicken.


Graphic Recording zum Expertentalk am 23.02.2021 Copyright: Antje Dennewitz, Dresden, www.antjedennewitz.de

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